59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) vom 20. bis 23. September 2017 in Stuttgart

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Neue Erkenntnisse und Innovationen in der Kompressionstherapie bei Menschen mit Venenerkrankungen

Foto (von links nach rechts: Professor Dr. Joachim Dissemond, Professor Dr. Markus Stücker, Prof. Dr. Knut Kröger, Prof. Dr. med. Eberhard Rabe)

Die 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) fand vom 20. bis zum 23. September 2017 in der Stuttgarter Liederhalle statt. Der diesjährige DGP-Kongress thematisierte unter dem Motto „Fortschritt durch Bewegung“ neue Perspektiven in Therapie und Pflege von venenkranken Menschen und betonte die interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Fachexperten des Starnberger Medical Data Institute stellten im Rahmen von hochinformativen Vorträgen und praxisnahen Workshops aktuelle Entwicklungen in der Kompressionstherapie vor.

Der Themenkomplex zur Kompressionstherapie wurde eingeleitet von Prof. Joachim Dissemond, der einen Fokus auf die Möglichkeiten des Selbstmanagements der venenkranken Patienten legte. Der Essener Dermatologe machte in diesem Zusammenhang auf unsere alternde Gesellschaft aufmerksam. Die Umkehrung der Alterspyramide bringe es mit sich, dass auf Möglichkeiten der adäquaten Selbstversorgung zukünftig ein verstärktes Augenmerk liegt, so Dissemond. Dies gilt auch für die Kompressionstherapie Als Beispiel für eine erleichterte Selbstversorgung stellte Dissemond die neuartigen adaptiven Kompressionssysteme vor, die dem Patienten eine Nachjustierung des Kompressionsdrucks ermöglichen. Je nach individuellen Fähigkeiten und auf Basis von patientenorientierter Edukation erleichtern diese adaptiven Bandagen dem Betroffenen die Selbstanlage und eröffnen Perspektiven zum Selbstmanagement in der Kompressionstherapie.

Professor Markus Stücker beleuchtete in seinem Vortrag die Evidenz verschiedener Arten der Kompressionstherapie. Der Begriff der Evidenz beschreibt in drei Qualitäten - niedrig, mittel und hoch - die Datenlage, die zu einer Versorgungsform, einer Therapie oder bestimmten Materialien vorliegt. Gibt es mehrere hochwertige Studien und Analysen zu einem Sachverhalt, wird diesem eine hohe Evidenz zugesprochen. Somit ergibt sich Evidenz in erster Linie aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen und kann sich ändern, wenn der Erkenntnisstand voranschreitet. So sei beispielsweise noch vor zehn Jahren den Thromboseprophylaxestrümpfen eine hohe Evidenz zugesprochen worden. Stücker erläuterte, dass man sich heute bei der Kompressionstherapie nicht mehr primär an vorliegenden Krankheitsbildern orientiert sondern an bestehenden Symptomen. Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass bereits eine leichte Kompressionsversorgung mit medizinischen Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse (KLL) I, die bei ca. 20 mmHg liegt, erfolgreich zur Therapie von Patienten mit Venenerkrankungen beitragen kann.

Professor Knut Kröger stellte seinem anschließenden Beitrag die Frage voran: „Warum ist die Kompressionstherapie, die so vielen Patienten helfen kann, so wenig verbreitet?“. Der Krefelder Angiologe erörterte in seinem Vortrag die patientengerechte medizinische Kompressionsstrumpfversorgung. Diese Bestrumpfung setzt ein, wenn das Bein des Betroffenen durch konsequente Bandagierung ausreichend entstaut ist. Kröger machte darauf aufmerksam, dass es für die stärkste Kompressionsklasse, KKL IV, die über 49 mmHg liegt, generell keine Evidenz gibt. Laut Kröger werden Kompressionsstrümpfe der KKL II in Deutschland am häufigsten verordnet. Wesentlich sei es, sich bei der Auswahl des Strumpfmaterials an der Ödemausprägung und -neigung zu orientieren. Je stärker der Betroffene zu Ödemen neige, desto sinnvoller sei die Verordnung von Strümpfen aus kräftigem Material. Auf diesem Prinzip basiert auch die „Kompressionslogik“, die Verordnern bei der Verschreibung von medizinischen Kompressionsstrümpfen eine Orientierung bietet.

In der Regel wendet sich der Betroffene mit Venenproblemen zunächst an einen der 47.000 in Deutschland praktizierenden Hausärzte. Von diesen verfügen allerdings nur wenige über spezifische phlebologische Kenntnisse, merkte Professor Eberhard Rabe in seinem abschließenden Vortrag an. Etwa einem Drittel der deutschen Bevölkerung, bei dem sich Auffälligkeiten an den Venen zeigen, stünden lediglich ungefähr 5.000 Ärzte gegenüber, die schwerpunktmäßig phlebologische Versorgungen leisteten. Der Bonner Phlebologe regte daher dazu an, insbesondere im Hinblick auf die durch Prof. Dissemond angesprochene Umkehrung der Alterspyramide, die Hausärzte zu einfachen grundlegenden venenspezifischen Untersuchungen anzuregen. Mit Hilfe der Hausärzte könne so ein phlebologisches Screening Klarheit bringen, wer von den Betroffenen einem Venenspezialisten vorgestellt werden sollte. „Wenn wir keine Lösung finden, werden wir eher mehr Probleme bekommen, als weniger“, warnte Rabe abschließend.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie, Dr. Anya Miller, referierte über die Kompressionstherapie bei Menschen mit lymphatischen Erkrankungen. Bei einem Großteil dieser Patienten kämen weitere Diagnosen hinzu, so die Berliner Ärztin in ihrem Vortrag zur Diagnostik und Therapie des Lymphödems. So werden auch orthopädische, dermatologische, neurologische und kardiovaskuläre Erkrankungen diagnostiziert – hinzu kommt oft eine Adipositas. Die Basisdiagnostik im Rahmen einer ausführlichen Anamnese erfolgt durch Fragen, Hinschauen und Anfassen, erläuterte Miller. Die Kompressionsversorgung durch Bandagierungen ergänzt die Behandlung des Lymphödems im Rahmen der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) an. Sobald die lymphatischen Stauungen durch die Maßnahmen des Lymphtherapeuten gemindert wurden, gewährleistet die Kompressionsversorgung durch individuell angepasste Kompressionsstrümpfe den Entstauungserfolg. Kompressionstherapie ist somit, neben der manuellen Lymphdrainage, Bewegung und Hautpflege, eine der vier Säulen der Lymphtherapie.

Kerstin Protz, Projektmanagerin am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, stellte eine aktuelle Studie zum Themenkomplex der praktischen Anwendung von verschiedenen Kompressionsversorgungen vor. Die Hamburger Fachautorin untersuchte in diesem aktuellen Projekt die Anlagequalität, den zeitlichen Aufwand und das Tragegefühl von phlebologischen Kompressionsverbänden (PKV). In der Studie wurden drei verschiedene Versorgungsoptionen zur Erstellung eines PKV verglichen: Kurzzugbinden mit Unterpolsterung, Mehrkomponenten-Fertigsysteme (MFS) und adaptive Kompressionsbandagen. Es zeigte sich, dass ein phlebologischer Kompressionsverband mit MFS am wenigsten zeitaufwändig war. Hingegen erzielten Teilnehmer mit adaptiven Kompressionsbandagen am sichersten den geforderten Anlagedruckwert. Auch hinsichtlich des Tragegefühls schnitten adaptive Bandagen sehr gut ab. Protz betonte, dass im Gegensatz zu Bindenversorgungen, die adaptiven Bandagen durch den Betroffenen selbst nachjustiert werden können.

Im Rahmen einer von Protz moderierten ganztägigen Pflegefachtagung hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich in einem Praxisworkshop mit den Materialien der Kompressionstherapie vertraut zu machen. Unter ihrer Anleitung übten die Teilnehmer mit verschiedenen An- und Ausziehhilfen, den sachgerechten Umgang mit medizinischen Kompressionsstrümpfen. Zudem gab es die Möglichkeit, die adaptive Kompressionsbandage kennenzulernen und den Tragekomfort am eigenen Bein zu testen. Des Weiteren wurde die Anlage eines PKV mit Kurzzugbinden und Unterpolsterung geübt. Eine gleichzeitige Messung ermittelte über eine Sonde den dabei erzielten Anlagedruck. Auch die intermittierende pneumatische Kompressionstherapie konnte am eigenen Bein getestet werden, bei der über eine luftgefüllte Manschette Druck auf das Bein einwirkt.

Professor Markus Stücker, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, fasste das reichhaltige Programm der vier Kongresstage anschaulich zusammen: „Die DGP ist eine interdisziplinäre Gesellschaft, das wird in der Referentenliste besonders deutlich.“ Das Expertenteam des Medical Data Institute trug mit seiner interdisziplinären und interprofessionellen Zusammensetzung entsprechend zum Gelingen der der 59. Jahrestagung der DGP bei. In hochinteressanten Vorträgen, die den aktuellen Stand der Kompressionstherapie beleuchteten, wurde dabei die Bedeutung dieser Therapieform unterstrichen.

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