34. Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte am 4. und 5. Mai in Lüneburg

34. Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte am 4. und 5. Mai in Lüneburg

Ulcus cruris und Kompressionstherapie – Aus der Praxis, für die Praxis

Kerstin Protz

(Lüneburg) Am 4. und 5. Mai 2018 fand der 34. Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte in Lüneburg statt. Im Rahmen eines praxisnah ausgerichteten Programmbeitrags informierte die Fachexpertin des Medical Data Institute, Kerstin Protz, über die Versorgungsmöglichkeiten von Menschen mit Ulcus cruris venosum und erläuterte Aspekte der hierfür grundlegenden Kompressionstherapie.

Zum 34. Mal fand der Kongress Norddeutscher Hausärzte in Lüneburg statt. Es handelt sich um einen der größten bundesdeutschen Hausärztekongresse, der den Teilnehmern die Gelegenheit bietet, sich in bis zu 50 Einzelveranstaltungen über aktuelle Themen und neueste Entwicklungen in der hausärztlichen Praxis zu informieren. Die etwa tausend Besucher kommen zu zwei Dritteln aus dem medizinischen Bereich und zu einem Drittel aus dem Praxisteam. Der Kongress begann dieses Jahr erstmals am Freitagnachmittag und endete am Samstagabend. Die Besucher der Vorjahre hatten sich die Möglichkeit eines freien Sonntags gewünscht.         

Der anschauliche und praxisnahe Beitrag von Kerstin Protz am Samstagvormittag thematisierte unter dem Titel ''Ulcus cruris und Kompressionstherapie'' die relevanten Aspekte der Versorgung von Patienten mit venös bedingten Beingeschwüren. Kerstin Protz ist als Projektmanagerin Wundforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig und legt in ihrer wissenschaftlichen Arbeit einen Schwerpunkt auf die Kompressionstherapie. Diese ist eine wesentliche Säule in der Therapie von Menschen mit Ulcus cruris venosum. Zu Beginn ihres dreistündigen Vortrags legte Protz Ursachen und Symptome des venösen Beingeschwürs dar und erläuterte Grundsätze der Ulkustherapie. Wesentlicher Bestandteil ist, so betonte Protz, die adäquate, sachgerechte und konsequente Kompressionstherapie. Nach Ansicht der Fachexpertin des Medical Data Institute ist es allerdings um die hierfür notwendigen Grundlagen in der alltäglichen Versorgung nicht gut bestellt. Dies verdeutlichte die Hamburger Fachautorin anhand aktueller Zahlen, die vorhandene Kompetenzen und Kenntnisse der Versorger in Deutschland abbilden. So legt eine aktuelle Studie nahe, dass bei den Versorgern vorhandenes Wissen nicht dem aktuellen Stand entspricht und ihre Kenntnisse zu verfügbaren Materialien und zeitgemäßen Methoden der Kompressionstherapie ungenügend sind. Darüber hinaus zeigen sich Defizite bei der praktischen Anwendung. Protz sieht dies unter anderem in der Ausbildung von Versorgern begründet. Die Kompressionstherapie komme in der Ausbildung von medizinischen Fachangestellten und Pflegefachkräften kaum und im medizinischen Studium gar nicht vor. ''Die Grundlagen sind nicht da'', so Protz, ''dennoch wird einfach davon ausgegangen, dass wir Kompressionsverbände korrekt anlegen können.'' Im Rahmen eines bundesweit durchgeführten Praxistests gelang es knapp zwölf Prozent der Teilnehmer - aus allen Bereichen der Versorgung von Menschen mit Ulcus cruris venosum - eine Kompressionsbandagierung mit Kurzzugbinden mit dem therapierelevanten Druckwert von 50 bis 60 mmHg zu erstellen.


In Vorbereitung des folgenden Praxisteils erläuterte Protz im Anschluss die Grundlagen der Kompressionsbandagierung. Hierbei gibt es zahlreiche Techniken und Varianten, aber für keine Methode bestünde eine Evidenz, so die Wundexpertin. Wenn der Anwender sich in der ihm geläufigen Anlagetechnik sicher ist, sei es egal, ob nach Pütter, Sigg oder Fischer bandagiert werde, so Protz. Entscheidend für den Therapierfolg ist, dass die gewählte Methode sicher beherrscht werde und unter Beachtung einiger Bandagierungsgrundsätze zur Anwendung komme. Hierzu gehört eine sachgerechte Unterpolsterung der Bandagierung mit Unterziehschlauch, Watte- und Polsterbinden, sowie, bei Bedarf, eine Auf- und Abpolsterung von Vorsprüngen und Vertiefungen zur gleichmäßigen Druckverteilung. Eine Kompressionsbandagierung startet immer am Großzehengrundgelenk und erzeugt herzwärts ein Druckgefälle, um den reibungslosen Abfluss des Blutes zur gewährleisten. Der Bindenabschluss wird kurz unterhalb des Knies mit Pflasterstreifen fixiert, und nicht mit den beiliegenden Klammern, die Verletzungen provozieren können.

In der ersten Phase der Kompressionstherapie, der Entstauungsphase, geht es zunächst um das Abschwellen des betroffenen Beines. Erst wenn vorhandene Ödeme beseitigt und der ursprüngliche Beinumfang wiederhergestellt ist, kann die Abheilung des Beingeschwürs einsetzen. Bei der Entstauung kommen heutzutage meistens Kurzzugbinden zum Einsatz. ''Viele sind erstaunt, wenn sie hören, dass diese Binden eigentlich nicht mehr Up-to-Date sind'', merkte Protz an. Seit fast zwanzig Jahren sind bereits sogenannte Mehrkomponentensysteme auf dem Markt verfügbar. Diese sind deutlich schneller und leichter anzulegen, verlieren nicht so rasch an Druck, wie Kurzzugbinden und erwirken daher deutlich schneller und zuverlässiger eine Entstauung. Eine moderne Alternative sind adaptive Kompressionsbandagen. Dies sind waschbare Bandagen, die auf das Bein angepasst und mit Klettungen verschlossen werden. Daher sind diese Systeme nachjustierbar und können, oft sogar vom Patienten oder seinen Angehörigen selbst, bei Abschwellung der Ödeme der Reduktion des Beinumfanges angepasst werden. In dem anschließenden Praxisteil hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich über diese adaptiven Kompressionsbandagen zu informieren und das Erstellen eines phlebologischen Kompressionsverbands mit Kurzzugbinden und Unterpolsterung zu üben. Zur Erfolgskontrolle ermittelte Protz hierbei mit einem Messgerät den Druckwert unterhalb der angelegten Kompressionsbandagierungen.

Der Beitrag ''Ulcus cruris und Kompressionstherapie'' auf dem 34. Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte bot praxisrelevante Erkenntnisse zur Therapie eines Krankheitsbildes, das im Zuge der älter werdenden Gesellschaft immer häufiger auftritt. Die 43 Teilnehmer erhielten anhand wissenschaftlicher Daten aufgearbeitete Informationen und machten sich im regen Austausch mit der Dozentin mit dem aktuellen Kenntnisstand vertraut. Der ergänzende Praxisteil ermöglichte die Vertiefung des Erfahrenen und rundete diesen Programmbeitrag entsprechend ab.

 

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